Pleasure #138
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Wir schreiben das Jahr 1996. Die Telekom geht an die Börse, der Bikini feiert sein 50-jähriges Jubiläum. Nebenbei wird auf dem „Weblog“ von Microsoft ein Beitrag über die Bedeutung von „Content“ im Internet veröffentlicht. Darin beschreibt der Autor die Bedeutung von „Content“ im rasch herbei sprintenden neuen Zeitalter sowie dessen Rolle, wenn es darum geht, in eben jenem Zeitalter Kohle zu verdienen. Der Titel des Essays: Content is King. Sein Autor: Bill Gates.
In seinem Essay hat Bill so einiges prophezeit. Spannend am Internet sei vor allem, dass man nur einen PC und ein Modem benötigt, um sämtliche Arten von Content zu veröffentlichen, schreibt er. Anders gesagt: mit dem Internet bekommt man gewissermaßen das multimediale Äquivalent zum Fotokopierer. Inhalte können günstig – wenn nicht sogar gratis – und ohne größere Probleme dupliziert und an ein weltweites Publikum verbreitet werden, was selbstverständlich bemerkenswerte Möglichkeiten biete.
Bemerkenswert, in der Tat, vor allem, wenn man bedenkt, was eben jener Bill Gates 25 Jahre später im multimedialen Fotokopierer über sich selbst lesen darf. Die Auswirkungen der – in jeder Hinsicht – grenzenlosen Möglichkeiten des Internets sollen an dieser Stelle jedoch nicht das Thema sein. Stattdessen möchte ich die eigentliche Aussage hinterfragen, die im Titel von Bill Gates’ 1996er Essay steckt.
„Content“ – im Laufe der Jahre hat sich bei mir eine deutliche Abneigung gegenüber dem Wort eingeschlichen. Der Begriff wurde uns in den letzten Jahren derart oft um die Ohren gehauen, dass er mehr oder weniger in der kompletten Bedeutungslosigkeit zu verschwinden droht. Dabei ist das Problem natürlich nicht beim Wort zu suchen, sondern vielmehr bei der Idee dahinter. Content ist ein Synonym für Newsletter-Überflutungen, YouTube-Videos, Social-Media-Häppchen und Artikel über „Lifehacks“, die von uns selbst geschaffene Probleme lösen sollen. Wichtig ist, dass Content erstellt wird. Oft, regelmäßig, am besten täglich. Warum der Content erstellt wird, ist zweitrangig. Dabei entstehen Inhalte, die wie Fast Food konsumiert werden wollen und uns während des Konsums vom eigentlichen Bedürfnis ablenken. Sie sind süß und schmackhaft, komfortabel, schnell verdaulich und voller leerer Kalorien, wodurch das Hungergefühl praktischerweise schon nach kurzer Zeit erneut einsetzt.
An diesem Punkt darauf hinzuweisen, dass ein Großteil jenes virtuellen Fast Foods lediglich im Netz existiert, wäre natürlich zu einfach, zu faul, zu starr, wie es unser guter Freund und Burton-Teamfotograf Dean Blotto Gray auf Seite 50 auf den Punkt bringt, denn: „Evolution ist Teil des Spiels“. Wer das, wie Blotto, beherzigt, versteht auch, dass ein auf DVD gebranntes Video nicht automatisch besser als Parts auf Instagram und gedruckte Artikel nicht per se schlauer als Online-Geschichten sind. Denn wichtiger als das eigentliche Medium bleibt doch der Grund, warum die Inhalte erstellt werden. Haben sie den Anspruch zu informieren, unterhalten, inspirieren oder herauszufordern? Oder ist es einfach nur ein weiterer vorgeschlagener, bekömmlicher Happen, der zwar leicht hinunterflutscht, doch keinerlei bleibenden Geschmack hinterlässt?
Womit wir erneut bei der eigentlichen Frage sind: „Is Content King“? – ja, mag sein. Viel wichtiger ist aber doch, wem dieser König dient? Für Pleasure bleibt die Antwort auch nach weit über 100 Ausgaben gleich: Snowboarden – dem Sport, der Kultur und all den Menschen, die es auf einen gemeinsamen Nenner bringt.
Viel Spaß mit Pleasure Ausgabe 138.
Stefan